Deutsche Halbleiter-Technik vor dem Urknall?


Vorbemerkungen
Deutsche Halbleiter-Forschung vor und während des 2.Weltkrieges
Die Situation nach 1945
Weitere Recherchen
Literatur


Vorbemerkungen

Bisher wurde immer davon ausgegangen, daß die wesentlichen Forschungen auf dem Gebiet der Halbleitertechnik erst mit der Erfindung des Transistors im Juni 1948 durch die US-amerikanischen Wissenschaftler Bardeen, Brattain und Shockley (US-Patent Nr. 2.524.035) begannen. Daß dem nicht so war und daß es gerade deutsche Wissenschaftler waren, die erst den Amerikaner den Weg ebneten, solche - und daß muß man schon anerkennen - großartige Leistung zu vollbringen, wird die nachfolgende Abhandlung versuchen aufzuzeigen. Denn ohne die Erkenntnisse deutscher Wissenschaftler, die noch dazu unter den unsäglich Umständen der Kriegseinwirkung und den Restriktionen des 3.Reiches entstanden, wären diese zu diesem Zeitpunkt kaum möglich gewesen.



Deutsche Halbleiter-Forschung vor und während des 2.Weltkrieges

Im PS-Buch wurde von ersten Halbleiter-Aktivitäten aus DDR-Forschungsinstitutionen berichtet, wonach Spitzen-Dioden und Spitzentransitoren so etwa 1953/54 erstmals im Labormaßstab gebaut worden sind. Auch auf dem Gebiet der damaligen BRD war damals das Forschungspotential in etwa gleichrangig. Aber waren das wirklich die ersten HL-Bauelemente aus "deutschen Landen"?
Folgendes
Spitzendiode
Bild einer Spitzendiode
aus dem Telefunken-Forschungslabor in Berlin-Zehlendorf war der Anlaß weitere Recherchen anzustellen.
Zur Erklärung des beiliegenden "Zettels":
Die so genannte "Berlin-Anlage" war eine der ersten Funkmeßgeräte im Zentimeterwellenbereich, mit denen gegen Ende des 2.Weltkrieges versucht wurde, rechtzeitig - vor allem für die "Reichshauptstadt" die so wichtigen Luftlageberichte zu erstellen.
Diese Spitzendiode - oder wie damals genannt "Mischdetektor" - wurde wahrscheinlich in mühevoller Handarbeit als Einzelstück in Metall-(Messing-Schraubanschlüsse) Keramik-Gehäuse hergestellt und in einer kleinen Blechschachtel aufbewahrt bzw. zusammen mit dem abgebildeten "Datenblatt" verschickt. Da die Meßwerte auf dem Bild sehr schlecht lesbar sind - hier nochmal im Klartext:

Flußrichtung: 1,5mA
Sperrichtung: 1,65mA
(Annahme: Der mit dem roten Ring gekennzeichnete Anschluß ist die Kathode - Anm. PS)

Es ist also zu sehen, daß von eine Gleichrichterwirkung nach heutigen Verständnis mit einem Stromverhältnis Fluß-/Sperrichtung von mehreren Zehnerpotenzen überhaupt noch keine Rede sein kann. Außerdem ist es völlig unerklärlich, wieso der Sperrichtungsstrom größer war, als der in Flußrichtung.
Und trotzdem haben sich diese Bauelemente offensichtlich erfolgreich in den o.g. Funkmeßanlagen bewährt.

Nun könnte man meinen, daß die ED705 nicht anderes als eine verkleinerte Form jener Detektoren ist, die in der Anfangszeit der Rundfunkempfangstechnik das einzigste "aktive" Element waren. "Aktiv" deshalb, weil man mit viel Geduld die Drahtspitze auf eine optimale Stelle auf dem Kristall positionieren mußte, um einen Rundfunkempfang zu ermöglichen.
Daß dem allerdings nicht so war, zeigen einige zeitgenössische Dokumente. So wird in einer Mitteilung aus dem Institut für Elektronenphysik der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt in Berlin-Adlershof bereits Mitte 1938 in einem wissenschaftlichen Artikel in [1] von Untersuchungen an verschiedenen Materialien zur Herstellung von Detektoren für "sehr kurze" elektrische Wellen berichtet, d.h. für den Bereich 50cm bis 1,4cm, oder nach heutigen Maßstäben 600MHz bis 21,4GHz! Es ist fast unglaublich, daß bereits damals schon in diesem Höchstfrequenz-Gebiet gearbeitet werden konnte.
Als Fazit der Untersuchung wurde in dem Artikel festgestellt, daß eine Werkstoff-Kombination Silizium-Wolfram die besten Detektor-Eigenschaften hatte, d.h. einer Material-Kombination, die auch viel später noch nach dem 2. Weltkrieg bei den ersten kommerziell hergestellten Spitzendioden bedeutungsvoll war.

Während man auf dem Gebiet der Elektronenröhren bereits eine über 20-jährige Erfahrung hatte und demzufolge auch durch die dabei erarbeiteten mathematisch-physikalischen Grundlagen (z.B. [2]) eine relativ hohe Qualität in der Massenfertigung erreicht wurde, war das bei den soeben aus der Taufe gehobenen ersten Halbleiter-Bauelementen bei weitem nicht so.
In dem recht umfassenden Beitrag von Seiler [3] wurde eine Bestandsaufnahme versucht. Leider ist das Erscheinungsdatum nicht angegeben, die zitierten Literaturquellen lassen jedoch den Schluß auf das Jahr 1946 zu. Folgende Punkte werden betrachtet:
- Die Bedeutung des Detektors für die Höchstfrequenztechnik
- Die Schottky'sche Theorie der Sperrschicht- und Spitzengleichrichter
- Synthese gleichmäßig emmpfindlicher, niederohmiger Detektorsubstanzen
- Eigenschaften und Struktur von Detektormaterialien
- Detektor-Technologie
- Die elektrischen Eigenschaften der Detektoren:
   Hochfrequenzwiderstände und Richtkonstante,
   Rauschen,
   Empfindlichkeit von Detektoren

ED705 Interessant ist die nebenstehende technische Zeichnung vom "Innenleben" der bereits oben erwähnten Spitzengleichrichter-Diode ED705 von Telefunken. Ähnliche Bauelemente soll es zu dieser Zeit auch von SIEMENS gegeben haben.

Seiler versuchte auch die damals schon bekannten mathematisch-physikalischen Grundlagen zusammenzutragen, wobei in den vielfältig zitierten Literaturstellen bereits schon ein später sehr bekannter Name eines deutschen Halbleiter-Wissenschaftlers auftaucht:
Walter Schottky.
Dessen Grundlagen-Werk "Zur Theorie der Sperrschicht- und Spitzengleichrichter" [4], erschienen bereits 1939, dürfte somit als der eigentliche Beginn der Halbleitertechnik in Deutschland angesehen werden.
Leider konnte dieses Werk bis jetzt noch nicht eingesehen werden.




Die Situation nach 1945

Nach 1945 war die Situation der deutschen Halbleitertechnik gekennzeichnet durch den Zusammenbruch des 3.Reiches, der damit verbundenen massiven, kriegsbedingten Vernichtung von wertvollen Forschungseinrichtungen und vor allem durch Ausfälle bei den Wissensträgern infolge von Kriegseinwirkung, auch noch bis in die letzten Kriegstage. Aber auch durch mehr oder weniger zwangsweise Deportation von deutschen Wissenschaftlern, die sozusagen als "menschliche Kriegsbeute" durch die Alliierten zusammen mit wichtigen Forschungsergebnissen und wertvollen Materialien in die Länder der jeweiligen Siegermächte verbracht wurden. Man erinnere sich nur an das US-amerikanische Unternehmen mit dem Decknamen "Paperclip", wo u.a. die insbesonders heiß begehrte deutsche Raketentechnik den Amerikanern in den Schoß fiel. Aber auch auf der sowjetischen Seite wurde alles weggeschafft, was nur irgendwie den Anschein hatte, kriegswichtig gewesen zu sein. [5]

In Berlin hatte zunächst die Rote Armee das gesamte Stadtgebiet erobert. Erst zum 30.Juni 1945 übernahmen dann die übrigen Siegermächte ihren Anteil der Stadt, entsprechend der Verträge von Jalta. Da Berlin bis zum Kriegende als wichtigstes Zentrum der deutschen Elektrotechnik/Elektronik, Funk- und Messtechnik galt, hatten die Wissenschaftler und Ingenieure in der Uniform der Roten Armee alle Hände voll zu tun, insbesondere die späteren "Westsektoren" gründlich nach Brauchbarem zu durchsuchen. Die erbeuteten Materialien wurden zunächst in den späteren sowjetischen Sektor verbracht. Hier entstanden eine ganze Reihe von Wissenschaftlich-Technischen Büros (WTB), die mit der Sichtung und Bewertung des Beutegutes befaßt waren. Für die Beurteilung wurden möglichst auch gleich die Personen benutzt, die schon vorher damit zu tun hatten, d.h. deutsche Wissenschaftler und Ingenieure. Die Motivation nun für die Besatzungsmacht zu arbeiten war ganz einfach geregelt, nämlich mit Sonderzuteilungen von Lebensmitteln. Wer als normaler Zivil-Bürger die ersten Nachkriegsjahre noch miterlebt hat, wird noch wissen, wie furchtbar Hunger sein kann und welches Geschenk dann ein Stück Brot ist.
So kann es nicht verwundern, daß bereits 1946 die Belegschaft eines dieser Institutionen, das "Laboratorium, Konstruktions- und Versuchswerk Oberschöneweide" (LKVO) auf über 2000 angewachsen war. Das LKVO wurde später umbenannt in "Oberspreewerk" (OSW) und letztendlich in "Werk für Fernmeldetechnik Berlin" (WFB).

Interessant ist z.B., daß in dem Entwicklungs- und Strukturplan des LKVO vom 1.Juli 1946 mit vier Bereichen, untergliedert in mindestens 11 Hauptabteilungen und dementsprechend zahlreiche Abteilungen, viele bekannte Namen deutscher Wissenschaftler und Ingenieure angegeben sind, so u.a. auch Dr. Mattias Falter, der spätere Gründer des Instituts für Halbleitertechnik in Stahnsdorf.
Neben dem Schwerpunkt der Röhrenentwicklung gibt es aber auch hier wieder einen Hinweis auf den o.g. Halbleiter-Detektor, diesmal mit der Typenbezeichnung ED704 und ED707.
Somit kann davon ausgegangen werden, daß auch in den ersten Nachkriegsjahren an und mit diesen Halbleiter-Bauelementen gearbeitet wurde.

Diese an sich so günstige Ausgangsposition änderte sich schlagartig mit einem Befehl der sowjetischen Militäradministration, wonach so genannte "Spezialisten" aus dem sowjetischen Machtbereich zwangsverpflichtet wurden zu einem mehrjährigem Einsatz in der fernen Sowjetunion. Das betraf nicht nur Wissenschaftler und Ingenieure, sondern auch andere spezielle Fachleute, wie z.B. Werkzeugmacher, Feinmechaniker und Glasbläser. Der Grund zu dieser Maßnahme war wohl die mehr oder weniger offene Grenze zu den westlich Besatzungs-Zonen, wo man befürchtete, die eigenen Leute an den "Klassenfeind" zu verlieren. Aus den ehemaligen Verbündeten gegen Deutschland waren plötzlich Feinde geworden, die sich einem mehr und mehr zuspitzenden "kalten Krieg" gegenüber sahen.
Dr. Mattias Falter war auch einer dieser "Spezialisten". Er hatte jedoch das Glück, schon nach wenigen Jahren wieder zurückkommen zu können, während andere, wie z.B. Manfred von Ardenne und Werner Hartmann erst Mitte der 50er Jahre wieder deutschen Boden betreten durften.

So ist es nicht verwunderlich, daß nach dem Exodus deutscher Wissenschaftler und Ingenieure nach Ende 1946 die Halbleiterforschung und -Bauelementeentwicklung in der sowjetischen Besatzungszone nahezu am Boden lag. Erst 1953/54 mit dem Auftrag der DDR-Staatsführung eine entsprechende Forschungseinrichtung zu schaffen, begann dann mit Prof. Mattias Falter an der Spitze eine neue Ära der Halbleitertechnik auf dem Gebiet der nun existierenden DDR.




Weitere Recherchen

Als Reaktion auf die o.g. "Enthüllungen" erhielt PS Leserhinweise, daß diese Geschichte mit weiteren Quellen noch viel tiefgründiger erforschbar ist.

In [11] erzählt Herbert Mataré von seinem beruflichen Werdegang. Er war noch Student an der Technischen Universität Aachen und gerade dabei seinen Dipl.-Ing. in experimenteller Physik zu machen, als das 3. Reich begann. Als er mit seiner Doktorarbeit befaßt war, brannen dann schon die Kriegsvorbereitungen, einschließlich der möglichen Evakuierung der Grenzstadt Aachen. Deshalb wechselte er im Herbst 1939 zu Telefunken nach Berlin. Dort war man mit Radartechnik befaßt auf der Grundlage von Röhren (Magnetrons und Klystrons). Man erkannte recht bald, daß mit kürzeren Wellenlängen 50cm --> 10cm bessere Ergebnisse erreicht werden könnte, wenn gleichzeitig die Empfängerempfindlichkeit verbessert werden kann. Hier war aber das Hauptproblem der bei hohen Frequenzen (=kürzer Wellenlänge) stark absinkende Signal-Rauschabstand dieser Röhrentechnik. Das bedeutete, daß das Nutzsignal nicht mehr aus dem Rauschen "gefischt" werden konnte. Es mußten also nach anderen Möglichkeiten gesucht werden, diese Probleme beherrschbar zu machen. Auf Empfehlung von Prof. Rukop, einem Röhrenspezialisten, untersuchte er dann die Rauscheigenschaften von Halbleiter-Gleichrichtern verschiedener Halbleiter-Materialien, so z.B. PbS und SiC. Die besseren Resultate wurden jedoch an reinem Halbleiter-Material Germanium und Silizium erzielt, welches von den Universiäten München und Breslau bereitgestellt wurde. 1942 sind dann auch diese Ergebnisse in seine Dissertation an der TU Berlin eingeflossen.
Nach 1943 wurde die Arbeit zunehmend durch Luftangriffe über Deutschland und besonders Berlin beeinträchtigt. Die Telefunkenlabore wurden teilweise nach Leubus (Schlesien) ausgelagert. Das bedeutete jedoch einen erheblichen Zeitverlust bei der Entwicklung, da die Kommunikation mit den wichtigen Werkstätten, die in Berlin verblieben, sehr schwierig war.
Versuchsaufbau In diesem schlesischen Labor untersuchte er auch erstmals die Rausch-Eigenschaften von "Duo-Dioden", da man sich davon Verbesserungen der Empfangseigenschaften der Radargeräte erhoffte. Der skizzierte Versuchsaufbau zeigt die bekannte Dioden-Konstruktion mit federnd aufgesetzter Wolfram-Nadel auf das Target aus Silizium oder Germanium (noch polykristallin - die entscheidende Verbesserung durch Verwendung von einkristallinem Materials entdeckte man erst später) und eine gleichartige Nadel in sehr geringem Abstand von weniger als 1mm (-->100µm). Die eine Diodenstrecke wurde nun als Gleichrichter verwendet, während die Rauschspannung der anderen Strecke dann vom Nutz-Signal subtrahiert werden sollte. Soweit der Plan. In der Praxis erwies es sich jedoch als besonders schwierig reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten. Allerdings konnte festgetellt werden, daß diese immer besser wurden, je kleiner der Abstand der beiden Nadeln war. Das ist auch erklärlich, da dann die Wahrscheinlichkeit zunimmt, innerhalb der Korngrenzen eines Kristalls des polykristallinem Materials zu bleiben. Außerdem spielte die Reinheit des Materials eine entscheidende Rolle und das war auch das Hauptproblem, da man solch effiziente Reinigungsverfahren, wie z.B. der Zonenfloating, noch nicht kannte.
Und so ganz nebenbei wurde dann auch noch festgestellt, daß mit der zweiten Elektrode dieser "Duo-Diode" die Eigenschaften des Gleichrichtereffekts beeinflußbar waren, d.h. man konnte mit einem Steuerstrom der einen Diodenstrecke den Durchlaßstrom der anderen Diodenstrecke beeinflussen. Damit war eigentlich der erste Transistor geboren worden - eine Vorrichtung (vom Bauelement kann man hier noch nicht sprechen), mit der der Durchlaßstrom einer Diode durch elektronische Manipulation veränderbar war.
An eine Patentanmeldung dachte Mataré in diesem Moment wohl nicht, da einerseits der geheime Forschungenauftrag des Rüstungsministeriums solches nicht zuließ und andererseits bereits in den Patentschriften von Lilienfeld, Heil u.a. ähnliche Effekte beschriebenen waren, also nur der Nachweis erbracht worden ist, daß solche Bauelemente tatsächlich realisierbar sind.

Nach der Erbeutung des so genannten "Rotterdam-Gerätes", (ein besonders kleines und kompaktes, in alliierten Bombern verwendetes Radargeät im cm-Wellenbreich) wurde umgehend in einem "Crash-Programm" am Nachbau eines solchen Gerätes gearbeitet. Die Leitung hatte Prof. Knoll (nach dem Krieg an der Princton University tätig).
1944 wurde mit dem Vormarsch der Roten Armee auch das Labor in Leubus zerstört. Alle Arbeiten mußten unterbrochen werden, um in Thüringen (Arnstadt??) in einem neu einzurichtenden Labor weiterzumachen. Aber auch die Verbindungen nach Berlin waren kaum noch möglich und als das neue Labor dann im April 1945 endlich betriebsbereit war, standen die Amerikanern vor der Tür, d.h. Thüringen war eingenommen worden.

Was aus den Laboreinrichtungen und den Forschungsergebnissen geworden ist, ist leider unbekannt. Es ist aber sicher anzunehmen, daß diese Materialien, so wie alles andere "Beutegut" umgehend in die USA verbracht wurden, damit dieses nicht den Russen in die Hände fällt. Nach dem Abkommen von Jalta gehörte Thüringen zu ihrem Besatzungsgebiet.
Natürlich wurde Mataré auch eingehend "interviewt", um Informationen über seiner Arbeit zu bekommen. Offensichtlich schätzten die Amerikaner diese aber als nicht so kriegswichtig ein, so daß er in's "Zivilleben" entlassen wurde. Gut englisch sprechend konnte er sich zunächst bei den Amerikanern als Physik- und Mathe-Lehrer verdingen, ging dann aber zurück an die TU Aachen, um dort Physik und Elektronik zu lehren.

Dort erreichte ihn eine Einladung des Forschungslabors der Fa. Westinghouse in Paris, um dort eine Halbleiterfabrik aufzubauen. Seine Forschungsarbeit während des Krieges begann also Früchte zu tragen und so konnte Anfang 1948 wieder Untersuchungen an "Duo-Dioden" und "Injection-Transistoren" (eine besondere Dioden-Bauform mit zwei Kathodenanschlüssen) fortgesetzt werden, jetzt allerdings schon auf Basis monokristallinem Materials. Hier machte er auch seinen 2. Doktor in Halbleiterphysik.
Zu der Pariser Forschergruppe stieß nun auch Heinrich Welker [7] aus dem ebenfalls zerstörten bzw. demontierten SIEMENS-Forschungslabor in Pretzfeld. Zur Pretzfelder Gruppe gehörten damals u.a. auch Walter Schottky und Eberhard Spenke.
Mataré und Welker versuchten nun aus ihrer Idee, d.h. jetzt eine französiche Erfindung, die allerdings erst am 11.8.1948 angemeldet wurde, ein richtiges Serien-Produkt zu machen. Im Gegensatz zu der US-Erfindung des Bell Labs gelang ihnen das auch innerhalb kürzester Zeit. Im Sommer 1949 konnten sie bereits 10.000 bis 20.000 Stück ihrer "Transitrons" pro Monat herstellen. Abnehmer war u.a. die französische Telefongesellschaft, die damit eine Telefonstrecke von Paris nach Algier aufbaute. Diese konnte dann 1950 anläßlich eines Besuchs Shockley von den Bell Labs erfolgreich präsentiert werden. Im Gegenzug konnte 1953 Mataré die Bell Labs besuchen. Nun wurde auch klar, daß das französische Halbleiterprogramm eine ernsthafte Konkurrenz zu den Amerikanern darstellte, da eine wirtschaftliche Umsetzung deren Transistorerfindung noch gar nicht absehbar war.
Die westliche "Führungsmacht" USA konnte es aber nicht zulassen, daß ein paar Europäer, noch dazu ehemalige "Nazis" (obwohl das gar nicht der Wahrheit entsprach), eine technologisch-wirtschaftliche Spitzenposition besetzt hatten. Über die NATO-Führungsgremien wurde Frankreich deshalb nahegelegt, in das französische Atomprogramm, welches von den USA bisher nur zähneknirschend geduldet wurde, nun doch mehr Ressourcen zu stecken. Die Folge davon war, daß die staatliche Förderung zurückgeschraubt wurde und vor allem Aufträge nur noch sehr spärlich kamen. Mataré und Welker versuchten sich beruflich neu zu orientieren.
Während Welker wieder zurück zu SIEMENS ging und in Erlangen Entwicklungsleiter wurde, hatte Mataré andere Pläne. Anläßlich seines Besuchs bei Bell Labs lernte Mataré einen Deutsch-Amerikaner kennen, den Eigentümer des börsennotierten Unternehmens "New England Industries" Jakob Michael. Dieser war bereits lange vor dem Krieg aus Deutschland ausgewandert und hatte in den USA die Warenhauskette "Defaka - Deutsches Familienkaufhaus" gegründet. Jakob Michael stellte Mataré das Kapital zur Verfügung um in Düsseldorf die Firma "Intermetall GmbH" zu gründen. Mit den kreativsten Ingenieuren, die seinerzeit verfügbar waren und insbesondere seinem Pariser Team konnte innerhalb ganz kurzer Zeit die weltweit erste Serien-Produktion von Dioden und Transistoren aus dem Boden gestampft werden.
1953 wurde auf der Düsseldorfer Radiomesse das weltweit erste Transistor-Radio vorgestellt und das war mit Intermetall-Transistoren aus Deutschland gebaut worden!

Die weitere Geschichte der Firma Intermetall soll hier nicht weiter beleuchtet werden, sie folgte wie gewöhnlich den Wolfsgesetzen des Kapitalismus: Gewinnmachen und verkaufen! - Und das war nicht im Sinnes des Gründers Herbert Mataré. Enttäuscht verließ er die Firma und ging an die Westküste der USA als Berater für verschiedene Halbleiterfirmen des sich gerade etablierenden "Silicon Valley".

Eine neuere Quelle - wissenschaftlich-technische Untersuchung - in Form einer Dissertation [16] bestätigen im Wesentlichen die bisherigen eigenen Recherchen.
Ergänzung:
Interessant ist hier die Feststellung, daß Welker - im Gegensatz zu Materè - bereits Anfang 1944 ein Patent für einen "Flächendetektor" eingereicht hatte, welcher nach seiner Überzeugung den weniger konstanten Spitzendioden überlegen sein sollte. Üblicherweise wurden solche Patentangelegenheiten üner einen Patentanwalt geregelt. Nun verstarb Welkers's Patentanwalt kurz nach dem Krieg und es dauerte mehrere Jahre, bis Welker eine Einigung mit den Erben erzielen konnte - wertvolle Zeit, die verstrich und der "stürmischen Nachkriegsentwicklungen" US-amerikanischer Forscher (Dank deutschen Beutegutes - [18]) große Vorteile brachte.
Aber auch die Führungskräfte der deutsche "SIEMENS & HALSKE AG" brachten den neuen technologischen Herausforderungen anfangs nur wenig Interesse entgegen. Welker's Angebot, seine Patente zu verwerten, wurden nur halbherzig wahrgenommen.
Trotzdem entwicklelten sich "SIEMENS & HALSKE", wie auch der zur AEG gehörende "Telefunken"-Konzern dann im Laufe der 50er Jahre - neben Intermetall - zu den in Europa führenden Halbleiterfirmen.

Im Rande der Recherchen ist PS auch noch auf andere, sehr interessante Entwicklungen aus der Zeit des "3.Reiches" gestoßen. So war die deutsche Kernforschung [12] - [14] weiter als es den Allierten genehm sein konnte und es gab offensichtlich doch die "Wunderwaffen" [15], mit denen der Krieg möglicherweise einen anderen Ausgang genommen hätte, wären sie denn eingesetzt worden.
Weitere Internet-Quellen neueren Datums, die PS als Kopie vorliegen, zeigen ein ganz anderes Bild, als bisher in den Geschichtsbüchern so geschrieben steht...




Leider können aus Gründen des deutschen Urheberrechts die zahlreichen Bilder aus den Original-Quellen hier nicht veröffentlicht werden.




Für die Bereitstellung historischer Unterlagen möchte ich an dieser Stelle meinen besonderen Dank an die Herren Michael Rogge, München und Winfried Müller, Berlin aussprechen.
Für die neuen Quellen-Hinweise ebenfalls herzlichen Dank an Norbert Luherta.



Literatur
[1] Jürgen Rottgardt: "Untersuchungen an Detektoren im Gebiet sehr kurzer elektischer Wellen",
Mitteilungen aus dem Institut für Elektronenphysik der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt, Berlin-Adlershof,
in "Zeitschr. f. techn. Physik" 1938, Nr. 9, S. 262 bis 264

[2] H.F. Materè: "Der Mischwirkungsgrad von Dioden", Mitteilungen aus dem Telefunken-Laboratorium,
in "Hochfrequenztechnik und Elektroakustik", Band 62, Heft 6 (Dezember 1943)

[3] K. Seiler: "Detektoren", in "Naturforschung und Medizin in Deutschland" 1939-1946, Band 15, Teil I, S. 272 bis 291

[4] W. Schottky: "Zur Halbleitertheorie der Sperrschicht- und Spitzengleichrichter", in Z. Physik 113, 367 [1939]

[5] Winfried Müller: "Röhrenentwicklungszentrum Oberspree", in FunkGeschichte 28 (2005), Nr. 164, S295-302

[6] MICHAEL RIORDAN: "HOW EUROPE MISSED THE TRANSISTOR -
The most important invention of the 20th century was conceived not just once, but twice", IEEE Spectrum | November 2005 | INT, p50-51

[7] Björn Schaffer: "THE SILICON PIONEERS", 100 YEARS OF CORPORATE RESEARCH AT SIEMENS, Pictures of the Future | Fall 2005, p95

[8] Armand Van Dormael: "THE “FRENCH” TRANSISTOR", pdf-file from www.avandormael.net

[9] JOHN MARKOFF: "A Parallel Inventor of the Transistor Has His Moment", NY-Times, February 24, 2003

[10] Dr. H. F. Mataré: "THE LESSER KNOWN HISTORY OF THE CRYSTAL AMPLIFIER", (weitere 37 Quellen), mht-file from www.avandormael.net

[11] H.F. Mataré, Life Fellow, Malibu, CA: "War Stories - "Doing grad work on the "other" side", mht-file from www.avandormael.net

[12] Klaus Schramm: "50 Jahre GKSS und Deutschlands Streben nach der Atombombe", mht-file von www.netzwerk-regenbogen.de

[13] - Deutsches Museum erhält Geheimberichte über deutsches Atomprogramm im Dritten Reich Donnerstag, (17. Dezember 1998),
mht-file von www.haigerloch.de/stadt/atomkeller/geheimberichte_verzeichnis.html

[14] Rainer Karlsch: "Hitlers Bombe", Deutsche Verlagsanstalt München, ISBN3-421-05809-1

[15] Jan van Helsing: "Unternehmen Aldebaran", AMADEUS-Verlag, 2000, ISBN 3-9805733-2-X

[16] Dipl.-Phys. Kai Christian Handel: "Anfänge der Halbleiterforschung und -entwicklung -
Dargestellt an den Biographien von vier deutschen Halbleiterpionieren", Dissertation an der RWTH 1999

[17] Edgar Mayer, Thomas Mehner: "Die Angst der Amerikaner vor der deutschen Atombombe", KOPP-Verlag Rottenburg, 2007, ISBN 978-3-938516-61-4

[18] Friedrich Georg: "Unternehmen Patentenraub 1945 -
Die Geheimgeschichte des größten Technologieraubs aller Zeiten", GRABERT-Verlag Tübingen, 2008, ISBN 978-3-87847-241-4



Sollte es aus der interessierten Leserschaft diesbezügliche Hinweise auf notwendige Korrekturen oder Ergänzungen geben, so werden diese sehr gern angenommen und eingearbeitet.







Copyright © 2006 by Peter Salomon. Letzte Änderung am 28.12.2008